Zank Quest – Jones in the fast Lane
In dieser Ausgabe geht es um ein Spiel, das wie eine Umsetzung eines Brettspiels aussieht. Ist es aber nicht. Wer das Spiel des Lebens mochte, findet hier etwas ähnliches, Nur schöner.
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Transcript:
Es gibt ja den Spruch: Das Leben ist ein mieses Spiel, aber seine Grafik ist geil. Und obwohl wir eigentlich spielen, um aus dem Arbeitsalltag auszubrechen, gibt es schon seit frühen Computerspieltagen zarte Versuche einer Lebenssimulation. Was habe ich bei den Little Computer People dem kleinen Kerl auf dem Bildschirm dabei zugeschaut, wie er in einem Sessel rumlümmelt oder seinen Hund streichelt. Anstatt selber in einem Sessel rumzulümmeln oder einen Hund zu streicheln. Das Prinzip wurde im Laufe der Jahre natürlich immer weiter aufgepumpt und heute können die Sims all die tollen Dinge erreichen, für die ich nicht clever oder schön genug bin. Ein ähnliches Prinzip gibt es natürlich auch im Brettspielbereich. Bekanntester Vertreter ist hier wahrscheinlich heute noch Das Spiel des Lebens von Hasbro, in dem das Spielziel natürlich der ganz persönliche Innere Frieden, die Erfüllung im künstlerischen Ausdruck und im Miteinander mit Anderen ist. Quatsch! Natürlich ging es am Schluss nur um Kohle, Mäuse, Geld! Trotzdem – vielleicht weil es mit seinem Glücks-Faktor für alle gleich unfair war – machte es immer mal wieder Spaß. Und hier und heute, in dieser Ausgabe der Zank Quest, soll es um ein Spiel gehen, das die beiden Welten der Computer- und Brettspiele friedlich vereinte: Jones in the Fast Lane.
Grundsätzlich sieht das Spiel wie eine mit Multimedia-Schnickschnack aufgepeppte Umsetzung eines klassischen Brettspiels aus. Aber es war tatsächlich von Anfang an für den Computer entworfen worden. Obwohl das Spiel hauptsächlich eine hausinterne Produktion von Sierra war, kauften sie die Idee von außerhalb ein: Kelly Walker und drei Mitglieder der Familie Whaley – namentlich Christopher, Meredith und Robert entwarfen ein textbasiertes Spiel namens Keeping up with the Joneses. Das ist eine Redewendung, deren Ursprung wie so häufig nicht geklärt werden kann. In diversen Zeitungen wurde ab 1913 ein Comicstrip dieses Namens von Arthur Momand gezeichnet und einige Leute gehen davon aus, dass der Name sich deshalb festgesetzt hat, aber sicher ist das nicht. Eine richtige deutsche Entsprechung gibt es übrigens auch nicht. Es bedeutet so viel wie „Dem Nachbarn nicht nachstehen zu wollen“ oder auf gut Werbesprech „Mein Haus, mein Auto, Meine Yacht!“ Die Grundidee unterscheidet sich nicht wesentlich vom Spiel des Lebens, ist aber ein wenig ausdifferenzierter, weil es vier verschiedene Ziele gibt, auf die der Spieler hinarbeiten kann. Aber dazu komme ich gleich noch. Chronologisch wichtig für die Geschichte ist, dass dieser Prototyp an Sierra verkauft wurde. Zwei der Whaleys gingen ans College und da schien der Verkauf eine gute Idee zu sein. Das Spiel lag kurz darauf auf dem Schreibtisch von Warren Schwader, dem Lead Programmer von Jones in the Fast Lane. Falls euch dieser Name nichts sagt: Jon Romero nannte ihn in einem Interview mit Inside Games 2001 „one of the great early game designers“.
Hier springen wir mal kurz zurück in den Februar des Jahres 1981. Denn zu diesem Zeitpunkt wurde Warren der erste angestellte Programmierer bei Sierra. Die Jahre davor hatte er bei Parker an Spritzgießmaschinen gearbeitet, in denen Füllerteile hergestellt wurden. Wenn die Maschinen halbwegs rund liefen, war er schnell unterfordert und er begann, die 30-Sekunden-Zyklen der Maschine zu nutzen, um Programme für den Apple 2 auf Papier zu entwerfen. Nach seiner Schicht nahm er die Blätter mit nach Hause und tippte sie ab. Dann schloss Parker über Nacht seine Abteilung und Warren stand auf der Straße. Genauer gesagt saß er in seinem Zimmer. Denn anstatt sich einen weiteren Job an einer langweiligen Maschine zu suchen, lebte er von der Abfindung und dem Arbeitslosengeld und arbeitete an einer Umsetzung des Cribbage-Kartenspiels. Seine Ersparnisse schmolzen dahin – doch als seine Mutter starb, übernahm Warren die Fürsorge für seinen älteren Bruder mit Behinderung. Das Geld, das er vom Staat für diese Pflege bekam, reichte aus, um nebenbei weiter an dem Spiel zu arbeiten. Letzten Endes veröffentlichte er einige Titel für den Apple 2 auf Cassette. Er selbst sagte in einem Interview, dass er sich zielsicher genau die Zeit dafür ausgesucht hatte, als sich für den Apple 2 das Diskettenlaufwerk durchsetzte. Entsprechend waren die Verkäufe zum Beispiel seiner frühen Spiele eher mäßig. Schrader erinnert sich an einige hundert Exemplare, sein fertig gestelltes Cribbage-Spiel brachte es auf ungefähr zweitausend Stück. Was für unsere Geschichte aber der entscheidende Teil ist: Ken Williams sah die Spiele und war angemessen beeindruckt. Die Spiele waren teilweise in Assembler geschrieben – Ende der 70er, Anfang der 80er für Heimentwickler keine Selbstverständlichkeit. Schrader wurde also in die noch kleine und wilde Sierra-Familie aufgenommen, passte aber nicht so ganz zum Rest des Teams:
Warren ist ein Zeuge Jehovas, was für einen Computerspiel-Entwickler, der seinen Glauben ernst nimmt, eine ziemliche Herausforderung sein kann. Viele der bei Sierra entwickelten Spiele konnte er nicht mit entwickeln, weil sie zum viel Gewalt, Glücksspiel oder Sex beinhalteten. Das machte ihn im Laufe der Jahre zum Hoyle-Typen. 1989 und 1990 arbeitete er an den ersten beiden Ausgaben der Hoyle – Official Book of Games (einer Kartenspielsammlung) als Programmierer, Designer und Grafiker. Das übrigens in der eigentlich für die Adventure-Reihen entwickelten Scriptsprache SCI, was die Programmierung wohl nicht gerade vereinfacht hat. Er war also prädestiniert dafür, ein brettspielartiges Projekt zu stemmen und mit Multimedia-Elementen aufzupeppen. Bedenkt man, dass mit Myst und Rebel Assault erst 1993 DIE heute bekannten Kaufgründe für ein CD-ROM-Laufwerk erschienen, war Sierra wie auch in anderen Gebieten hier sehr früh an Bord. Mit Mixed-up Mother Goose veröffentlichte Ken Williams im gleichen Jahr direkt noch ein weiteres Spiel auf CD-ROM – und zwar so nahe beieinander, dass Schrader nicht sicher ist, welches von beiden zuerst auf den Markt kam. So oder so: Jones in the Fast Lane erschien auf einer CD-ROM. Und die hatte seeeehr viel Platz zu vergeben. Theoretisch. Aber dazu komme ich gleich noch.
Das Spiel beginnt mit einer netten Sequenz aus aufeinander abfolgenden Bildern. Hier wetteifern zwei Familien schon kräftig miteinander, um als erster auf einer Laufstrecke und später im Ruderboot auf dem Wasser ins Ziel zu kommen. Speziell das Boot ist überladen mit allerlei Statussymbolen und Haushaltsgeräten. So ein klein wenig verschiebt das Spiel hier schon den Fokus auf Reichtum und Besitz als allein seeligmachendes Mittel, aber was soll’s. Ist beim Spiel des Lebens ja auch nicht anders. Während dieser Sequenz werden auch die beteiligten Sierra-Leute eingeblendet. Und die meisten davon gleich zweimal, denn für richtige Schauspieler oder Sprecher wurde bei Sierra nur ungern Geld verschwendet, so dass hier unter anderem Marc Crowe und Josh Mandel in Bild und Ton zu bewundern sind. Wenn man denn die richtige Version im Laden gekauft hat. Die EGA-Fassung bleibt naturgemäß etwas hinter der VGA-Fassung zurück, macht aber das Beste aus ihren Möglichkeiten. Darauf gehe ich aber gleich noch ein wenig ein.
Erst einmal dürfen sich die Spieler noch ein Alter Ego aussuchen. Zwei Männer und zwei Frauen stehen zur Auswahl – wobei es sich wirklich nur um Spielfiguren handelt. Es gibt keinerlei Vor- oder Nachteile. Ihr dürft also frei nach Lust und Laune wählen zwischen dem Typen, der seine sunglasses vermutlich auch bei night trägt, dem Mann im Hemd und mit Schnurrbart, der rothaarigen Frau und der Frau, die in unterschiedliche Rosa-Töne gewandet durch den Tag flaniert. Interessant ist vielleicht noch, dass nur die Frauen Shorts tragen. Die Männer schwitzen wohl lieber. Besagte Figuren sind digitalisierte Abbilder, die euch im zukünftigen Spiel repräsentieren, und während eures Zuges immer mal wieder laufend dargestellt werden. In der EGA-Fassung sind es statt der digital-Avatare gezeichnete Figuren, das macht aber überhaupt nichts, weil sie sowieso nicht besonders viel zu tun haben. Außer, dass sie – wenn ihr später im Spiel teurere Klamotten kauft – diese auch in der Laufanimation anhaben. Nett. Ihr könnt mit bis zu vier Spielern gegeneinander antreten. Oder aber ihr holt euch noch den Computergegner ins Boot, der den titelgebenden Jones spielt. Dieser ist interessanterweise eine Zeichentrick-Figur, ist aber ansonsten ebenfalls nur in diesen Lauf-Animationen zu bewundern. Wie häufig bei solchen Spielen ist ein gemeinsames Spielerlebnis immer schöner als eine KI – und das vor allem deshalb, weil ich gegen Jones regelmäßig verliere…
Das zugrundeliegende Spielfeld ist eine Art Rundkurs durch eine Stadt. Das Spielbrett zeigt euch neben verschiedenen Läden noch eine Universität und ein Arbeitsamt. Letzteres sollte eure erste Anlaufstelle sein, da ohne Moos auch in diesem Spiel nicht los ist. Keines der vier Spielziele Reichtum, Glück, Bildung und Karriere ist ohne entsprechende Mittel erreichbar, weshalb ihr auf jeden Fall einen Job braucht. Die Optik unterscheidet sich hier natürlich auch wieder zwischen der EGA- und der VGA-Fassung, aber dieses Spiel funktioniert in beiden Versionen blendend. Alles ist auf einem einzigen Bildschirm dargestellt und comichaft vereinfacht. Jedes einzelne Gebäude ist klar identifizierbar und sieht einfach knuffig aus. Einzig größerer Unterschied ist wie schon bei den Spielfiguren, dass die „Bewohner“ dieser Häuser entweder digitalisierte oder gezeichnete Abbilder sind. Und natürlich müsst ihr bei der EGA-Fassung, die es nur auf Floppy-Disc gab, auch auf die Sprachausgabe verzichten. Bis auf ein kleineres Atmosphäre-Plus ist diese aber auch komplett verzichtbar – bei einigen der Figuren nerven mich die Sprüche auch nach einer Weile. Es hat also wie alles im Leben Vor- und Nachteile.
Ihr könnt am Spielanfang selber per Schieberegler einstellen, welches Ziel euch wie wichtig für den Sieg ist. Ausgewogene Work-Life-Balance ist also ebenso drin wie Wall-Street-Wolf. Innerhalb eines Spielzuges könnt ihr eure Figur frei durch die Stadt bewegen, wobei alles, was ihr tut, den Timer am unteren Bildrand weiterrücken lässt. Essen, arbeiten, einkaufen. Alles dauert seine Zeit und ihr habt davon natürlich nur begrenzt zur Verfügung. Euer Zug symbolisiert eine Arbeitswoche im Spiel. Ist diese vorbei, ist der nächste Spieler an der Reihe und das Hamsterrad des Arbeitslebens dreht sich von Neuem. Fieserweise wird euch zum Beginn des nächsten Zuges dann noch Geld für euer Wochenende-Vergnügen abgezogen, das ihr nicht beeinflussen könnt und gerne mal eine schöne Stange Geld kostet. Oder aber ihr habt finanziell gesehen Glück gehabt und folgende Meldung erhalten: “You did absolutely nothing this weekend.” Zwei Dinge sind also in jeder Runde essentiell: Arbeiten und Essen. Erfreulicherweise könnt ihr das im lokalen Monolith Burger direkt beides erledigen. Einen viel besseren Job als Patties-Wender werdet ihr wahrscheinlich sowieso nicht bekommen. Wie viel ihr arbeitet, dürft ihr lustigerweise selber entscheiden, indem ihr auf die entsprechende Schaltfläche drückt. Großartiges System, das sich hoffentlich bald hier bei uns durchsetzt… Das Essen ist ein wenig… nun ja… seltsam konzeptioniert. Es ist nämlich meiner Meinung nach völlig egal, ob ihr euch mit den Pommes das billigste Essen reinschaufelt oder euch eine Wochenration Astro Chicken reinschiebt. Einziger Unterschied ist, dass euer Konto unterschiedlich stark blutet. Schade. Hier wären ein oder zwei Ideen ganz nett gewesen. Alle vier Wochen müsst ihr Miete zahlen, alle acht Wochen legt euch das Spiel eine neue Garderobe nahe. Und solltet ihr bei den Klamotten sparen wollen, läuft euer Avatar irgendwann nur noch mit einem Fass bekleidet durch die Gegend. Man kann es also drehen und wenden, wie man will: Mehr Reichtum sorgt im späteren Spielverlauf für mehr Ruhe. Also ist ein gut bezahlter Job auf Dauer essentiell. Diese Jobs sind aber nur mit Bildung zu erreichen – und das führt uns alte Lateiner stante pede in die Hi Tech University, in der wir Kurse belegen dürfen. Diese Kurse müssen wir zehnmal besuchen, also zehnmal Zeit dafür opfern, um sie erfolgreich abzuschließen. Und dann bekommen wir eventuell einen besseren Job angeboten. Auch das ist aber wieder vom Zufall abhängig. Wenn im Arbeitsamt gerade nichts angeboten ist, dann ist das eben so.
Okay, ein paar Örtlichkeiten habe ich hier ja schon mal angerissen. Gehen wir mal das ganze Spielbrett entlang und schauen, was es außerhalb eurer Luxusbehausung zu entdecken gibt. Beim Pfandleiher könnt ihr bei absoluter Geldnot Dinge in Zahlung geben. Löst ihr sie nicht innerhalb von zwei Runden wieder aus, können andere Spieler hier zuschlagen. Weil hier nur von Spielern eingestellte Titel gehandelt werden, lohnt sich der Blick in den Laden aber eher selten und ist ein verlorener Zug. Arbeit gibt es hier auch keine, also schnell zum Z-Markt. Hier gibt es jede Woche neue Schnäppchen zu erstehen, die aber nicht so lange halten wie ihre Pendants in den jeweiligen Spezial-Läden. Wie im echten Leben eben auch: Kaufste Kik, kaufste oft. Je nach Bildung könnt ihr hier als Kassenkraft, Assistenz-Manager oder Manager eure Brötchen verdienen. Der Monolith Burger-Laden ist natürlich genau wie die dort erhältlichen Astro Chicken eine Reminiszenz an die Space-Quest-Reihe – ist aber ansonsten ein ganz normaler Fast-Food-Laden. Bedenkt man, dass die dort aufgerufenen Preise wie zum Beispiel 68 Dollar für Pommes gleich für eine ganze Woche gelten, sind sie gar nicht mehr soooo schlimm. Was auch immer ihr dort esst: ein Einkauf reicht für sieben Tage. Hm. Lecker. Kalte Pommes am Freitag… Zur Auswahl stehen hier Koch, Kassenkraft und die beiden Manager-Jobs. Ganz praktisch in diesem Zusammenhang ist, dass Essen keine Zeiteinheit wegnimmt. Wer also im Monolith Burger arbeitet, spart sich den Laufweg, um Fast Food in sich reinzuschaufeln. In QT Clothing deckt ihr euch mit Klamotten ein. Für einige Jobs benötigt ihr die hier erhältlichen Business-Sachen, die allerdings auch entsprechend bepreist sind. Kleidung, die ihr bei QT kauft, hält länger als die Z-Markt-Sachen, sind aber dafür auch teurer. Gemeinerweise halten sie nicht viiiiel länger – in der Regel nur einen Zug mehr – sind aber trotzdem doppelt so teuer. Aber im Z-Markt gibt es eben nicht immer dann neue Sachen, wenn ihr sie gerade benötigt. Euch bleibt also nur, im Billig-Laden euer Glück zu versuchen oder direkt in den sauren teureren Apfel zu beißen und im Zweifel Zeit gespart zu haben. Momos graue Herren hätten bei diesem Spiel echt ihre Freude… Neben einem Verkäufer-Dasein gibt es natürlich auch hier wieder die Manager-Laufbahn. Socket City versorgt euch mit Elektronik und Haushalts-Gegenständen wie einem Kühlschrank. Wenn ihr euch diese Dinge denn leisten könnt, weil hier schon reichlich Geld fließen muss. Auch hier gilt wieder: Z-Markt-Schnäppchen sind billiger, aber auch entschieden schneller kaputt. Ein Fernseher macht euch glücklicher, der Kühlschrank kann mit Essen gefüllt werden und erspart euch damit später die notorische Burger-Runde, ist dafür aber eben auch arschteuer. Neben Manager und Verkäufer werden hier auch gute Handwerker für den Reparaturservice gesucht. An der Hi-Tech-University lernen wir nicht für die Lehrer sondern für besser bezahlte Jobs. Wie vorhin schon beschrieben, kostet euch das Studium echt wenig Geld, aber dafür einiges an Zeit, weil jeder Kurs 10 Zeiteinheiten frisst. Und weil einige Kurse auf anderen Kursen aufbauen, gehen da einige Wochen ins Land, bis man zum Beispiel den Enigeneering-Abschluss in der Tasche hat. Arbeiten darf der Spieler hier entweder als Hausmeister oder mit der entsprechenden Bildung als Lehrer oder Professor. Verwaltet werden all die schönen Arbeitsplätze im Arbeitsamt – in dem man lustigerweise nicht arbeiten kann. Der erste Schritt zu einer erfolgreichen Karriere im Spiel sollte also hierhin führen. Falls ihr euch für einen Job bewerbt, für den ihr nicht qualifiziert seid, bekommt ihr natürlich trotzdem Zeit abgezogen – aber auch Hinweise, wie ihr euch für den Job qualifiziert und was euch noch fehlt. Die Industrie im Spiel wird von DER FABRIK symbolisiert. DIE FABRIK ist so groß und krakenhaft, dass sie keinen anderen Namen als DIE FABRIK braucht. Das Ding ist riesig, weshalb hier auch die meisten Arbeitsplätze zu finden sind. Der Spieler, der auf der Karriereleiter ganz nach oben will, kann sich hier den bestbezahlten Job des ganzen Spiels sichern: den General Manager. Aber der Weg dahin ist lang und steinig – und wer weiß, ob nicht ein anderer Spieler mit kleineren Zielen dann eher ans Ziel kommt. In der Bank ist euer Geld vor Dieben sicher. Falls ihr mehr von eurem Geld erwartet als einen Sparstrumpf unter dem Bett, könnt ihr euch hier mit Spekulationen austoben und fette Gewinne oder Verluste einfahren. Und natürlich könnt ihr hier auch arbeiten – zum Beispiel als Investment Banker. Ab und zu wird die Bank von Wild Willy überfallen, der euch dann alles Geld abnimmt, das ihr bei euch tragt. Aber an die Kohle, die ihr eingelagert habt, kommt er lustigerweise nicht ran. Number Next auf dem Brett ist der Black’s Market. Dort gibt es für gerade mal einen lausigen Dollar die Zeitung, die eventuell sinnvolle Hinweise für den Spielverlauf bereithält. Zum Beispiel, ob die Wirtschaft demnächst in den Keller geht. Kann aber auch sein, dass der Dollar für die Katz war. Wie auch das Geld, das ihr in Lotterielose anlegen könnt. Wobei ein Gewinn per Los natürlich eine feine Sache ist. Die wichtigste Ware hier ist aber das Essen, das ihr en gros kaufen könnt. Kühlschrank vorausgesetzt, könnt ihr auf diese Weise billiger und zeitsparender essen. Wer keinen geeigneten Aufbewahrungsort hat, riskiert eine saftige Rechnung vom Onkel Doktor, weil das Essen dann vergammelt und AuaauaBauchweh macht. Wer schon immer Metzger werden wollte, hat im Black’s Market alle Möglichkeiten dazu – neben den diversen anderen Jobs, die es auch in den anderen Läden gibt. Bleibt als Ort des Bösen noch das Rent Office, in dem ihr regelmäßig eure Miete zu zahlen habt. Wer das vergisst oder glaubt, er könne das aussitzen, bekommt sein Gehalt gepfändet bzw. eingezogen, bis er die Miete gezahlt hat. Arbeiten darf man dort natürlich auch. Aber will das jemand mit ein wenig Empathie? Eben. Bleiben nur noch zwei Orte auf der Karte: Das Low Cost Apartment und das Le Security Apartment. In beiden könnt ihr einfach nur entspannen und Zeit verbringen, was euren Happiness-Pegel nach oben bringt, Je mehr Kram ihr in eure Wohnung stopft, desto glücklicher werdet ihr nach Spiellogik. Nachteil am Low-Cost-Wohnen: Wild Willy kommt euch gerne besuchen, wenn ihr viele teure Sachen eingekauft habt und räubert euch aus. Das kann euch in der Hochpreis-Bude nicht passieren, aber dafür löhnt ich eben auch mehr. Wobei die Mietpreise wie auch alle anderen Bepreisungen während des Spiels heftig schwanken können und ihr deshalb regelmäßig schauen solltet, ob sich nicht doch ein Umstieg lohnt, weil das Low Cost Apartment plötzlich gar nicht mehr so viel billiger ist. Und damit sind wir am Ende der Brett-Besichtigungstour angelangt.
Es hilft, das Spiel wirklich als Brettspiel zu begreifen, um nicht irgendwann vor Wut den Monitor oder wenigstens die Maus an die Wand zu werfen. Viele der Zufallsereignisse kosten euch Geld. Sei es eine Arztrechnung, sei es der Straßenräuber, der euch beklaut, seien es die Wochenend-Abenteuer. Es ist ein wenig wie ein großer Stapel Karten, auf denen „Tja, Pech gehabt“ steht. Das Ausmaß des Pechs ist unterschiedlich, aber früher oder später erwischt es jeden eurer Mitspieler genauso – ein schadenfroher Mensch hat also mehr von Spiel. Immerhin ist es nicht möglich, komplett pleite zu gehen. Wenn ihr lange genug erfolglos gewesen seid, bekommt ihr von einem Mitglied der Verwandtschaft ein paar Dollar zugesteckt, die euch wieder auf die Beine helfen müssten. Die Wirtschaft scheint auch komplett zufällige Preise innerhalb eines vorgegebenen Rahmens zu würfeln. Ich hatte jedenfalls nicht den Eindruck, dass meine Aktionen hier irgendeine Auswirkung gehabt hätten. Warren Schwader selbst gibt auch zu, dass einige Konzepte nicht so ganz durchdacht und feinjustiert wurden. Als Beispiel führt er an, dass diese Arztrechnung ja zum Beispiel auch durch ein Krankenhaus hätte vermieden werden können, wenn sie denn eines eingebaut hätten. Sierra hat laut seinen Aussagen das Original-Design mehr oder weniger komplett übernommen und sich auf die Multimedia-Aspekte konzentriert. Zum Beispiel floss viel Entwickler-Zeit in die Lippensychronisität der Figuren. Das Team hielt es für sinnlos, per Rotoscope-Verfahren Figuren einzufügen und dann nicht auch noch auf so etwas zu achten. Wenn schon, dann richtig. Die CD-ROM-Version sollte einen Mehrwert zur Floppy-Fassung bieten. Wobei das eigentliche Spiel auf der Disc gerade mal 35 MB groß ist.
Im Gegensatz zu früheren Sierra-Spielen arbeitete das Team hier mit Storyboards – eine Neuerung, die Bill Davis eingeführt hatte. Zwischen 1989 und 1992 war er als Creative Director bei Sierra angestellt – der erste, der diese Position dort innehatte. Bills Rolle ist irgendwann mal noch einen eigenen Podcast wert. War er es doch, der die bisherige recht chaotische Arbeitsweise bei Sierra auf die Füße stellte, Positionen wie einen Art Director schuf und auch darauf drängte, nicht ständig innerhalb einer Serie den Stil zu wechseln. Das führt an dieser Stelle aber zu weit. Erinnert mich gerne daran, dass ich das an einem anderen Tag vertiefe.
Übrigens erschien Jones in the Fast Lane nur für den PC. Schwader vermutet, dass Sierra zu dieser Zeit komplett auf den PC-Zug gesetzt hat und deshalb andere Systeme erst gar nicht ins Auge gefasst hat. Das wäre eine mögliche Erklärung – obwohl das Spiel wegen seiner begrenzten Technik ja ein vermutlich relativ einfach umzusetzendes Produkt gewesen wäre. Nun, sei’s drum. Sein begrenzter Erfolg wäre vermutlich trotzdem nicht größer geworden. Diverse Fanseiten und Remakes im Netz zeigen aber auch, dass der Titel bei denen, die ihn gespielt haben, Eindruck hinterlassen haben muss. Die Testberichte der damaligen Zeit spiegeln das leider nicht so ganz wider. Zwischen 35 Prozent in der PC Games 6/93 und 9 von 12 Punkten in der ASM 1/91 ist ein weites Feld – wobei die ASM-Wertung auch eine Soundwertung von 8 enthielt, obwohl der Tester Dirk Fuchsner an einem PC ohne Soundchip gespielt hat. Immer wieder spannend…
Warren blieb noch bis 1993 bei Sierra und machte weiter Brettspielumsetzungen. Sein letzter Eintrag in die Sierra-Ludographie trägt den klangvollen Namen „Crazy Nick’s Picks: King Graham’s Board Game Challenge“, in dem ihr Backgammon und Dame spielen könnt. Ähnlichen Spielen blieb er auch später treu: Die Jewel Quest-Reihe versorgt ihn seit 2004 regelmäßig mit neuen Aufträgen. Auch nett, aber Jones war da schon ein anderes Kaliber.
Podcast: Play in new window | Download (Duration: 24:08 — 22.1MB)
Interessante Folge. Kannte lediglich den Titel und das es von Sierra war. Was ist eigentlich zuerst da, das Transcript oder der Podcast? Könntest Du ja auch leicht zum Userartikel umbauen. Einziger Kritikpunkt: Die Folge endet etwas abrupt.
Hallo Drappi,
Danke für die Kritik. Ich muss nochmal reinhören bzw. -lesen, weil ich die Folge vor mittlerweile knapp 6 Wochen aufgenommen habe. Mit Enden habe ich so meine Schwierigkeiten, wie ja auch bei Off-Topic immer wieder deutlich wird 😉
Die letzten paar “kurzen” Folgen der Zank Quest (Ultima 2, Jones und Mixed-up Mother Goose) waren komplett vorgeschrieben und während der Aufnahme bin ich ein paarmal davon abgewichen. Ein paar von den früheren Dingern waren mit Stichwörtern vorgeschrieben und ich habe mich dann immer geärgert, dass ich doch was vergessen habe…
Ich weiß nicht, wie Jörg das findet, wenn ich meine Texte mit ein wenig Umbau als User-Artikel wiederverwerte. Lust darauf hätte ich schon. Umgekehrt überlege ich, die Artikel zu Larry und Gabriel Knight als kleine Zwischenfolgen der Zank Quest neu aufzunehmen. Da muss ich nur beim Einlesen aufpassen, um aus Lesern Hörer zu machen 😀 Hab das schon mal mit dem ersten Larry-Artikel gemacht und muss ihn mal schneiden.